Schon seit wir Anfang Februar in Sizilien angekommen sind, beobachten wir am Wetterradar ständig die Begebenheiten am Etna. Anfang Februar hat es noch Meterhohen Schnee und eine Schitour wäre eine einmalige Chance, leider verpassen wir diese, weil es uns zunächst an die Westküste zum Klettern zieht. Die einheimischen Sportskanonen, welche wir hin und wieder bei unseren Kletterspots treffen fragen wir über eine Besteigung des Etna aus, da wir im Internet hauptsächlich widersprüchliche und negative Informationen finden, dazu noch meistens nur auf Italienisch. Auch von unseren lokalen Quellen hören wir einmal, dass man nur bis 2700m hoch kann, ein anderes mal nur mit Berg- oder Vulkanführer*in. Als wir im Süden den Kletterer Christian Leube treffen, welcher nach Sizilien gezogen ist, bekommen wir die News, auf welche wir gehofft hatten. Der Berg ist mit ein bisschen Erfahrung besteigbar, Kontrollen gibt es keine und natürlich absolut sehenswert! Er gibt uns noch die Nummer von einem Kollegen, Marco, welcher einer der zwei Bergführer Siziliens ist und Touren auf den Etna führt. Dieser kennt den Berg wie kein anderer, was wir später noch erfahren werden. Zufrieden steuern wir dem Berg zu, verzichten (oder vergessen) aber darauf, den Bergführer zu konsultieren.
Am Vorabend der Besteigung fahren wir zu unserem Ausgangspunkt für die mögliche Etnabesteigung auf ca. 2000m, mit Blick auf das nächtliche Catania, parken auf einem Gratisparkplatz vor der Raststätte „La Cantoniera“. In den frühen Morgenstunden des 23.3.2023 läutet der Wecker und das Aufstehen fällt mit der Vorfreude auf den möglichen Etnagipfelerfolg leichter. Die Rücksäcke haben wir zum Glück schon am Vorabend gepackt, und wir genießen noch Tee, Kaffee und leckeres Porridge. Nach dem Frühstück lässt sich die Sonne schon blicken. Gestärkt werden die Schuhe geschnürt, die Rucksäcke umgehängt und es geht los.
Wir starten noch vor der ersten Seilbahn, welche die Leute auf ca. 2500m bringt. Der Weg ist ausgetreten und wir sehen schon erste leere Trucks hinauffahren, von welchen wir die Straße ein paar mal kreuzen. In einem alten Lavastrom, vom Ausbruch 2001, steht noch eine alte verbogene Seilbahnstütze. Das Ausmaß des Ausbruches muss gigantisch gewesen sein und wir bekommen ein mulmiges Gefühl, weil der Vulkan noch immer jederzeit ausbrechen kann. Der letzte Ausbruch war im Februar 2022, also ein bisschen mehr als vor einem Jahr, davor 2021 und 2019.
Ab der Bergstation der Seilbahn gehen wir eine Straße weiter, wo sich an den Seiten noch der Schnee türmt. Die Straße dampft teilweise, da der Boden an vielen Stellen sehr warm ist. Auf ca. 2700m endet die Straße, es gibt die erste Pause und eine kleine Jause. Wir wandern ab jetzt auf einem Trail weiter und navigieren mit einer offline-Karte. Nach kurzer Zeit erreichen wir den mächtigen Lavastrom, vom Ausbruch des Südostkraters 2022.
Hier wandern wir auf einem frischen Trail über Vulkanstein auf und ab, da der alte vom Lavastrom begraben wurde. Der Boden dampft immer wieder und bei einem kurzen Temperaturtest mit der Hand fühlen wir die Wärme, die aus den Löchern ausströmt. Auf halbem Weg nach oben stoßen wir auf eine italienische Gruppe, welche von einem Bergführer begleitet wird. Mit einem der Gruppe kommen wir ins Reden, über das Klettern natürlich, und es stellt sich heraus, dass der Bergführer ebendieser Marco ist, von dem wir ein paar Tage zuvor die Nummer bekommen haben. Ein paar Kilometer wandern wir mit ihnen, überholen dann aber, um schneller voranzukommen.
Der Trail wird phasenweise von größeren Schneefeldern bedeckt. Der Schnee ist sehr kompakt und das Gehen fällt hier leichter als auf dem Fels, welcher hier teilweise sehr scharfkantig ist. Im oberen Bereich auf ca. 2900m werden die Schneefelder mehr, bis wir fast ausschließlich auf hartem Altschnee wandern. Je näher wird dem Hauptkrater kommen, desto intensiver wird der Schwefelgeruch. Es kratzt in unseren Hälsen, ein leichtes Kopfweh setzt ein. Ein Zuckerl im Mund zu haben hilft dabei, den Schwefel gleich runterzuschlucken und weniger zu husten. Der Kraterrand ist schneefrei und wir bewältigen die letzten Meter, welche die steilsten sind.
Oben, am Rande des Hauptkraters angekommen,
staunen wir über die vielfältigen Farben und die mächtige Rauchproduktion aus dem Bocca Nuova. Wir wandern entlang des Kraters zu der höchstmöglichen Erhebung und machen Fotos. Eine kurze Eruption aus dem Schlot lässt uns erschauern.
Nach nur wenigen Minuten mit atemberaubender,
sonniger Aussicht in den Krater und über die Wolken, entscheiden wir uns, den Rückweg anzutreten und schnell abzusteigen. Der viele kratzige Rauch, der Gestank und die Tatsache, dass es sich um einen aktiven Vulkan handelt, sind uns nicht geheuer. Der erste Teil des Abstiegs fällt durch den kiesartigen Boden und die Schneefelder sehr leicht und schnell. Der Trail über den alten Lavastrom und die Schneefelder bei aufziehenden Nebelwolken erfordern einiges an Orientierung, welche wir gemeinsam gut meistern. Nach dem Trail nehmen wir beim Abstieg noch einen Nebenkrater mit, an dessen Schotterfeld wieder hinunter laufen. Wir laufen durch dampfende Altlavaströme und haben unseren Spaß mit den Schneefeldern. Die hereingekommenen Wolken bieten uns zudem eine unglaubliche Kulisse.
Die letzten Schneefelder kurz vor dem Ende des Abstieges werden für „Schiwedeler“ verwendet und vor dem Ende entdecken wir noch ein altes Holzbrett für einen kurzen Snowboardride. Gut angekommen beim Bus, feiern wir unseren Gipfelerfolg und freuen uns über den gelungen Tag. Wir waren schon auf vielen hohen Bergen und kennen das Risiko, welches immer miteinzukalkulieren ist. Ein aktiver Vulkan ist aber unberechenbar, kann jederzeit ausbrechen und der Schwefel stellt eine weitere Gefahr dar. Deswegen freuen wir uns noch mehr über dieses Erlebnis und am meisten, dass wir wieder gut unten angekommen sind.
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